Die 3 möglichen Erzählperspektiven für Geschichten

Die 3 möglichen Erzählperspektiven für Geschichten

Ob eine kurze Geschichte oder gleich ein ganzer Roman: Zu den wichtigsten Entscheidungen, die der Autor treffen muss, gehört die Wahl der Erzählperspektive. Er muss also festlegen, aus welcher Perspektive er dem Leser seine Geschichte erzählt. Dabei werden für Geschichten im Wesentlichen drei mögliche Erzählperspektiven voneinander unterschieden, die alle ihre Besonderheiten haben.

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Die 3 möglichen Erzählperspektiven für Geschichten

  1. Die auktoriale Erzählperspektive

Bei der auktorialen Erzählperspektive erzählt eine allwissende Person die Geschichte. Dieser Erzähler weiß tatsächlich alles. Er kennt sämtliche Figuren in der Geschichte, die Geschehnisse bisher und die weiteren Entwicklungen.

Oft hat der Erzähler auch eine innere Haltung zum Geschehen und den Figuren. Folglich kommentiert er die Ereignisse und Abläufe. Genauso wertet, lobt, kritisiert, verspottet oder urteilt er über die Figuren.

Obwohl der Erzähler die Gedanken und Gefühle der Figuren schildert, bleibt sein Blick insgesamt aber eher distanziert.

Ein Beispiel:

Instinktiv stellten sich seine Freunde wie eine Schutzmauer vor Peter, obwohl keiner von ihnen wusste, warum er plötzlich verstummt war. Natürlich hatte Peter aus dem Augenwinkel gesehen, wie Lisa um die Ecke gekommen war. Aber er hoffte insgeheim darauf, dass sie ihn nicht entdeckt hatte.

Der auktoriale Erzähler kennt nicht nur die Abläufe, sondern weiß auch, was in den Figuren vorgeht. Nur in der auktorialen Erzählperspektive ist es möglich, dem Leser zu vermitteln, dass Peters Freunde instinktiv eine Schutzmauer bilden, ohne zu wissen, was los ist.

Genauso kann nur der auktoriale Erzähler feststellen, dass Peter Lisa zwar gesehen hat, aber hofft, dass er von ihr unentdeckt bleibt.

In einer Geschichte muss der auktoriale Erzähler aber nicht nur auf die aktuelle Handlung eingehen. Stattdessen kann er auch vor- und zurückspringen oder kommende Ereignisse andeuten.

Dabei tritt der Erzähler in der Geschichte selbst meist nicht in Erscheinung. Der Leser erfährt nicht, wer der Erzähler ist, wie er heißt und wie er zu den Figuren steht. Allerdings kann der Erzähler durchaus eine Figur der Geschichte werden oder die Geschichte aus der Ich-Perspektive erzählen.

  1. Die neutrale Erzählperspektive

In der neutralen Erzählperspektive schildert der Erzähler das Geschehen sehr sachlich und wertfrei. Er beschreibt die Handlungen und Figuren von außen, ohne die Gedanken oder Gefühle der Figuren  zu erwähnen. Der Blick auf die Geschichte ist distanziert, ähnlich wie eine Kamera, die nur das aufzeichnet, was zu sehen ist.

Ein Beispiel mit der Szene von eben:

Eine Gruppe von jungen Leuten stand zusammen, mit einem Mann in ihrer Mitte. Zur gleichen Zeit bog eine Frau um die Ecke.

Der neutrale Erzähler belässt es bei dem, was jeder außenstehende Beobachter wahrnehmen kann. Dabei bleibt er auf Abstand, bewertet nicht und wirft keinen Blick ins Innere der Figuren.

In Geschichten wird die neutrale Erzählperspektive nur selten verwendet. Denn die sehr sachliche Erzählweise macht es schwierig, Handlungen lebendig wirken zu lassen, Emotionen zu wecken und den Leser zu fesseln.

  1. Die personale Erzählperspektive

Die personale Erzählperspektive gibt es in zwei Varianten, nämlich als Erzählung in der 1. Person (ich) und in der 3. Person (er/sie). In beiden Fällen erzählt eine Figur die Geschichte, die selbst Teil der Geschichte ist. Meistens handelt es sich um eine der Hauptfiguren.

Weil die personale Erzählperspektive sehr nah an der Figur ist, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird, erfährt der Leser, was diese Figur denkt und fühlt.

Der Leser kann dadurch tief in die Geschichte eintauchen, weil er genauso nah am Geschehen ist, wie die erzählende Figur das Geschehen als Teil der Geschichte erlebt.

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Die Szene von eben aus der Ich-Perspektive:

Ich war enttäuscht. Dort drüben stand Peter, umringt von seinen Freunden. Doch statt auf mich zuzukommen, wich er meinem Blick aus und schien sich regelrecht hinter seinen Freunden zu verstecken.

Die Passage ist aus Lisas Sicht erzählt. Der Leser erfährt, wie es ihr geht, wie sie die Situation einschätzt und was sie erwartet hat. Die gleichen Informationen erhält der Leser, wenn sich der Autor für die personale Erzählperspektive in der 3. Person entscheidet:

Lisa war enttäuscht. Dort drüben stand Peter, umringt von seinen Freunden. Doch statt auf sie zuzukommen, wich er ihrem Blick aus und schien sich regelrecht hinter seinen Freunden zu verstecken.

Die personale Erzählperspektive gehört zu den beliebtesten Erzählweisen für Geschichten. Dabei fällt die Wahl meist auf eine Erzählung in der 3. Person. Diesen Blickwinkel nimmt der Leser als Normalfall wahr.

Der Autor wiederum hat etwas mehr Spielraum, weil der Erzähler stellenweise unauffälliger als stiller Beobachter auftreten kann. Die Ich-Perspektive hingegen zieht den Leser noch tiefer in die Geschichte hinein.

Perspektivwechsel

Grundsätzlich sollte der Autor bei der Erzählperspektive bleiben, für die er sich entscheiden hat. Für den Leser kann die Geschichte sonst nicht mehr nachvollziehbar sein, wenn der Autor plötzlich einen ganz anderen Blickwinkel einnimmt.

Üblich sind Perspektivwechsel nur, wenn der Autor seine Geschichte in der personalen Erzählperspektive der 3. Person erzählt. Dabei ändert sich dann aber nicht die Perspektive als solche, sondern lediglich die Figur, aus deren Sicht die Handlung geschildert wird.

Bei unserem Beispiel könnte der Autor einige Szenen aus Peters Sicht und andere Szenen aus Lisas Sicht beschreiben. Wichtig dabei ist aber, immer nur zwischen ganzen Szenen und nie innerhalb einer Szene zu wechseln. Sonst wird die Geschichte wirr.

Für den Leser schaffen Leerzeilen Orientierung. Eine Leerzeile zeigt an, dass eine Szene endet. Und mit dem Beginn der nächsten Szene kann sich auch die Perspektive ändern.

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Gerd Traube, studierter Germanist und Buchautor, geboren 1966, Michaela Lange, geboren 1978, Deutschlehrerin und Privatautorin, Canel Gülcan -Studentin Lehramt Deutsch/Germanistik, sowie Ferya Gülcan Redakteurin und Betreiberin dieser Seite, schreiben hier für Sie/euch alles Wissenswerte zum Thema Schreiben. Ob für Schule, Beruf, angehende Schriftsteller oder Redakteure, wir hoffen, dass unsere Übungen und Anleitungen Ihnen weiterhelfen.

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