Framing: Mit Worten Bilder auslösen
Wer sich vegan ernährt, wird schnell als Umweltaktivist bezeichnet. Jemand, der sehr viel Wert auf sein Aussehen legt, gilt als oberflächlich. Und wer viel Zeit vor dem Computer verbringt, wird gerne als menschenscheuer Technik-Nerd abgestempelt. Wir ordnen Menschen und Erlebnissen oft bestimmte Vorurteile zu und stecken sie in Schubladen. Auch in der Sprache können gewisse Wörter oder Formulierungen solche Bewertungen auslösen und Bilder im Kopf entstehen lassen.
Dieses Phänomen wird als Framing-Effekt bezeichnet. Dabei wird das Framing manchmal gezielt eingesetzt, um Meinungen zu vermitteln und auf subtile Art zu manipulieren.
Aber warum ist das so?:
Inhalt
Was genau ist Framing?
Wörtlich übersetzt bedeutet Framing „einrahmen“. Jedes Wort löst in unserem Kopf bestimmte Bilder aus, die wir bekannten Bedeutungen zuweisen.
So ordnen wir Menschen zum Beispiel schnell nach ihrem Aussehen, ihren Gewohnheiten, ihren Vorlieben, ihren Ansichten oder ihren Hobbys ein und stecken sie in eine Schublade, die gewisse Vorurteile und Klischees enthält.
Das Phänomen lässt sich damit vergleichen, wie wir die Realität sehen, wenn wir durch die Linse einer Kamera schauen. Die Kamera lenkt unsere Aufmerksamkeit auf einen Ausschnitt und blendet das, was sich um das Motiv herum befindet, aus.
Beim Framing werden einzelne Schlüsselwörter immer wieder mit bestimmten Themen verknüpft. Dadurch entsteht durch ein Schlagwort automatisch eine Reihe an Bildern in unserem Kopf.
Ist zum Beispiel von „Erfolg“ die Rede, denkt der eine an einen Sieg bei einem Turnier, während der andere eine Jobzusage damit verbindet. Dabei formen sich sogenannte Deutungsrahmen.
Frames sind also sprachliche Rahmen, die einer Information, einer Tatsache, einer Zahl oder einem Motiv einen Sinn geben und in einen Kontext einordnen.
Warum setzen wir Framing ein?
Das Framing ist ein völlig normaler Vorgang, der unbewusst abläuft. Damit wir uns bei den ganzen Eindrücken und Reizen, denen wir ausgesetzt sind, im Alltag zurechtfinden, konzentrieren wir uns auf einzelne Schlüsselinformationen, die uns schon bekannt sind.
Ein Rahmen gibt unserer Wahrnehmung der Realität also eine Struktur und hat Einfluss darauf, welche Informationen wir uns merken.
Das gilt auch für einzelne Wörter. Eine Sprache zu verstehen, ist am Ende nichts anderes, als die Inhalte in Gedanken nachzuspielen. Worte rufen in uns Erinnerungen, Gefühle oder Überlegungen hervor.
So verknüpfen wir zum Beispiel den Namen „Wilhelm“ meist mit einem älteren Mann, weil der Name in unseren Ohren recht altmodisch klingt. Bei Verben ist es nicht anders.
Beim Verb „stolzieren“ etwa haben die meisten eine Person vor Augen, die aufrecht geht, ihre Nase in die Höhe streckt und mit einer Mischung aus Stolz und Arroganz an einen eitlen Pfau oder Gockel erinnert.
Erstaunlich ist, dass wir uns die Bewegungen im Kopf tatsächlich sehr präzise vorstellen. Aus Analysen der Gehirnaktivität ist bekannt, dass bei einem Verb wie „einschlagen“ die Region im Gehirn aktiviert wird, die Bewegungen wie Schläge geistig vorbereitet.
Patient:innen, bei denen das Gehirn in dieser Region geschädigt ist, können Verben nachweislich schlechter verstehen. Denn sie können die Bewegungen gedanklich nicht mehr richtig simulieren.
Wie sehr manipuliert Framing?
Obwohl jeder Mensch ständig in Rahmen denkt, kann das Framing auch ganz gezielt eingesetzt werden, um subtil zu manipulieren.
Ein Autor kann zwei Sätze so formulieren, dass beide zwar dieselbe Information enthalten, beim Leser aber völlig unterschiedliche Vorstellungen hervorrufen.
„Hergestellt aus 20 Prozent recyceltem Kunststoff“ zum Beispiel klingt deutlich umweltfreundlicher als „Hergestellt aus 80 Prozent neuem Kunststoff“.
Auch eine Aussage wie „Durch dieses Programm können 100 von 500 Personen in den Arbeitsmarkt integriert werden“ ruft positivere Assoziationen hervor als die nüchterne Feststellung, dass trotz des Programms 400 von 500 Personen keinen Arbeitsplatz bekommen.
Bei Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge kann mit einem Verlust- oder Gewinnrahmen gearbeitet werden. Ein Satz wie „Wer raucht, stirbt früher“ gehört zum sogenannten Loss-Frame.
Denn er schreckt ab und ruft bei den adressierten Personen Verlustängste hervor. Bei Vorsorgemaßnahmen sind aber Botschaften erfolgreicher, die in einen Gewinnrahmen eingebettet sind und die positiven Folgen des gewünschten Verhaltens in den Vordergrund rücken.
„Wer aufhört zu rauchen, lebt länger“ würde die Aussage in einem positiven Gain-Frame lauten.
Wie sehr wir uns durch Framing manipulieren lassen, ist individuell verschieden. Für eine Studie untersuchten Wissenschaftler der University College London die Hirnaktivität der Teilnehmer, während diese über Risiken entschieden.
Die Ergebnisse zeigten, dass das Framing die Teilnehmer unterschiedlich stark beeinflusste. Dabei hing das Ausmaß der Beeinflussung davon ab, wie sehr die Gehirnregion durchblutet wurde, die an der Planung der Handlung beteiligt ist. Die Wissenschaftler zogen daraus den Schluss, dass wir dem Framing-Effekt nicht schutzlos ausgeliefert sind.
Wenn wir uns klarmachen, was uns in welcher Form vermittelt wird und welche Art des Framings dahinterstecken könnte, sind wir weniger leicht manipulierbar.
Andererseits ist das Framing für einen Autor natürlich ein wichtiges und hilfreiches Instrument. Er kann es gezielt nutzen, um durch Worte und Formulierungen Bilder auszulösen, die seine Geschichte für den Leser greifbar und lebendig machen.
Gleichzeitig kann er Rahmen nutzen, um den Leser insofern zu manipulieren, als er ihn zunächst auf eine falsche Fährte lockt. So schafft der Autor die Basis für spannende und unvorhersehbare Wendungen.
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