Formulierungen im Grundschulzeugnis richtig einordnen, 1. Teil
Das allererste Schulzeugnis ist natürlich etwas ganz Besonderes. Doch für die Eltern ist manchmal gar nicht so einfach, nachzuvollziehen, was in dem Zeugnis steht. Denn in der ersten und der zweiten Klasse der Grundschule gibt es noch keine Noten. Stattdessen bewerten Grundschullehrer die Leistungen der Kinder verbal. Die Formulierungen sollen die Stärken und Schwächen verdeutlichen und darüber informieren, ob und in welchen Bereichen der Schüler etwas Unterstützung braucht.
Durch die Beschreibungen sollen die Eltern einschätzen können, wo ihr Kind steht. Ähnlich wie ein Arbeitszeugnis greift dabei auch das Grundschulzeugnis auf bestimmte Floskeln zurück. Und genau das ist das Problem. Denn viele Eltern tun sich schwer damit, die Aussagen zu entschlüsseln.
Damit es künftig leichter wird, die Formulierungen im Grundschulzeugnis richtig einzuordnen, haben wir eine zweiteilige Übersetzungshilfe erstellt:
Inhalt
Wie kommt die Bewertung im Grundschulzeugnis zustande?
In den letzten Schulwochen eines Halbjahres verbringt ein Grundschullehrer viel Zeit damit, für jeden seiner Schüler einen Bericht zu schreiben, der die Leistungen bewertet. In diesen Bericht fließen zum einen die Beobachtungen ein, die der Lehrer im Verlauf des Schulhalbjahres gemacht hat.
Bei den Beobachtungen handelt es sich um spontane Beobachtungen, die sich der Lehrer regelmäßig während oder nach dem Unterricht notiert. Dazu kommen gezielte Beobachtungen, die vorher geplant sind.
Dabei beobachtet der Lehrer aber nicht willkürlich, wie sich ein Schüler verhält und welche Lernfortschritte er macht. Stattdessen gibt es sogenannte Beobachtungsraster, die gezielt einzelne Fertigkeiten überprüfen.
Zum anderen nutzen viele Grundschullehrer die Aufzeichnungen, die im Rahmen von Elterngesprächen entstanden sind. Solche Protokolle fassen zusammen, welche Stärken und Schwächen ein Lehrer bei seinem Schüler erkannt und bei Elternabenden auch mit den Eltern besprochen hat.
Außerdem schaut sich der Lehrer noch einmal die Arbeiten des Schülers aus dem zurückliegenden Halbjahr an.
Diese Materialsammlung bildet die Grundlage für die schriftliche Bewertung. In vielen Schulen gibt es ein Programm mit Formulierungshilfen für die einzelnen Lernbereiche.
Der Lehrer muss seine Beurteilung dadurch nicht komplett frei verfassen, sondern kann auf die passenden Bausteine zurückgreifen. Für den Lehrer und auch andere Kollegen ist damit klar, wie die Beurteilung ausfällt. Die Eltern hingegen können nicht immer eindeutig bestimmen, was genau die Aussagen bedeuten.
Was sagen die Formulierungen im Grundschulzeugnis aus?
Das Zeugnis in der ersten Klasse enthält noch keine Noten, sondern nur eine schriftliche Beurteilung. Sie gibt Auskunft über den Leistungsstand und den Lernfortschritt des Schülers. Außerdem informiert sie über einen eventuell vorhandenen Förderbedarf.
Um die Aussagen richtig einordnen zu können, müssen die Eltern aber oft ein wenig zwischen den Zeilen lesen.
So etwas wie ein Wörterbuch, das die Floskeln in Grundschulzeugnissen entschlüsselt, gibt es zwar nicht. Allerdings sind gewisse Formulierungen gängig. Ähnlich wie in einem Arbeitszeugnis spielen auch in einem Grundschulzeugnis kleine Hinweise wie sehr, stets, fast oder noch eine wichtige Rolle.
Außerdem sollten die Eltern auf Adjektive achten, die etwas über die Eigenschaften des Kindes aussagen. Interessiert, selbstständig, sorgfältig, fleißig, freiwillig oder schnell sind Beispiele für solche Adjektive. Zusammen mit weiteren Details können die Eltern dann ablesen, ob die Beurteilung positiv oder eher negativ ist.
Ist im Grundschulzeugnis zum Beispiel davon die Rede, dass der Schüler bei der Rechtschreibung sehr sicher ist, übertreffen seine Leistungen die Anforderungen. Ist der Schüler sicher, sind seine Leistungen gut und entsprechen der Schulnote 2. Bewertet der Lehrer die Rechtschreibkenntnisse als fast sicher, bewegen sie sich auf dem Niveau der Note 3.
Tauchen hingegen Formulierungen wie meist, weitgehend, mit Hilfe oder nach Aufforderung auf, deutet das darauf hin, dass sich der Schüler mit der Rechtschreibung schwertut.
Große Probleme und Lücken sind vorhanden, wenn im Grundschulzeugnis Aussagen wie war bemüht, hatte Schwierigkeiten oder war kaum in der Lage stehen.
Missverständliche Formulierungen
Eine Aussage wie „Lisa beschäftigt sich oft mit anderen Dingen und lässt sich schnell ablenken. Sie könnte ihre Leistungen verbessern, wenn sie etwas aufmerksamer wäre.“ ist recht gut zu verstehen. Nach Ansicht des Lehrers bleibt Lisa mit ihren Leistungen hinter dem zurück, was sie eigentlich kann.
Sie sollte sich besser konzentrieren und mehr mitarbeiten, um ihr Potenzial auszuschöpfen. Auch die Beurteilung „Daniel erledigt seine Aufgaben zielstrebig.“ ist leicht zu deuten. So bescheinigt der Lehrer eine sehr gute Leistung. Denn Daniel konzentriert sich, lässt sich nicht ablenken und unterbricht nicht unnötig, wenn er Aufgaben bearbeitet.
Doch so klar sind die Einschätzungen längst nicht immer. Manchmal sind im Grundschulzeugnis Formulierungen enthalten, die schnell zu Missverständnissen führen können. Steht dort zum Beispiel „Paula wendet bei schwierigen Aufgaben Vereinfachungen an.“ klingt das im ersten Moment nicht sehr positiv.
Es scheint so, als würde es sich Paula zu leicht machen. Tatsächlich beschreibt diese Aussage aber eine sehr gute Fähigkeit. Denn Paula kann schwierige Aufgaben schneller und sicher lösen, weil sie auf vereinfachte Zwischenschritte und Hilfsmittel zurückgreift.
Die Einschätzung „Tim kann bekannte Aufgaben in einer vorgegebenen Zeit lösen.“ klingt positiver als sie ist. Das Wort bekannte deutet nämlich an, dass Tim nicht ganz auf dem gewünschten Leistungsstand ist.
Eigentlich sollte er schon in der Lage sein, das bisher Erlernte zügig anzuwenden und auch auf neue, unbekannte Aufgaben zu übertragen. Tim sollte also etwas mehr üben.
Eine Formulierung wie „Im Zahlenraum bis 20 rechnet Tina mit Hilfsmitteln sicher.“ kann ebenfalls missverständlich sein. Denn am Ende des ersten Schuljahres sollte ein Schüler bereits ohne Hilfsmittel sicher mit den Zahlen bis 20 rechnen können. Dass Tina zwar den Zahlenraum beherrscht, aber eben noch Hilfsmittel braucht, spricht folglich für mittelmäßige Leistungen.
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