Formulierungen im Grundschulzeugnis richtig einordnen, 2. Teil
Es ist zweifelsohne ein großer Tag, wenn ein Kind sein allererstes Schulzeugnis bekommt. Allerdings ist manchmal gar nicht so offensichtlich, wie der Lehrer die Leistungen des Kindes tatsächlich bewertet. In den ersten beiden Klassen der Grundschule stehen im Zeugnis nämlich noch keine Noten, sondern ausformulierte Beurteilungen. Die Beschreibungen sollen den Eltern vermitteln, wo ihr Kind steht. Dafür kommen im Grundschulzeugnis gewisse Floskeln zum Einsatz.
Doch Eltern tun sich oft schwer damit, eben diese Floskeln zu entschlüsseln. In einem zweiteiligen Beitrag erklären wir deshalb, wie Eltern die Formulierungen im Grundschulzeugnis richtig einordnen. Hier ist der 2. Teil!:
Inhalt
Was sind typische Sprachcodes im Grundschulzeugnis?
Im 1. Teil haben wir schon Beispiele für gängige Formulierungen genannt. Sie werden durch sprachliche Codes ergänzt, die in ähnlicher Form auch im Arbeitszeugnis üblich sind. Entscheidend dabei sind die kleinen Hinweiswörter, durch die der Lehrer Abstufungen vornimmt.
Ist im Zeugnis davon die Rede, dass das Kind „stets für neue Lerninhalte zu begeistern“ war, entspricht das einer sehr guten Leistung und damit der Schulnote 1. Großes Interesse und gute Leistungen auf dem Niveau der Note 2 sind vorhanden, wenn das Kind „für alle Lerninhalte zu begeistern“ war.
Eine Formulierung, nach der das Kind „offen für Lerninhalte war, die sie/ihn interessierten“ bedeutet ungefähr soviel wie Note 3. Wenn der Lehrer aber schreibt, dass das Kind „von sich aus nicht an neue Aufgaben heranging“, sollten die Eltern hellhörig werden. Denn der Lehrer bringt damit zum Ausdruck, dass das Kind etwas mehr machen muss, damit es den Anschluss nicht verliert.
Anders als im Arbeitszeugnis, wo Bemühungen eher negativ sind, haben sie im Grundschulzeugnis eine positive Bedeutung.
Formuliert der Lehrer etwa, dass sich „Daniel bemühte, seine Hefte ordentlich zu gestalten und pfleglich mit den Arbeitsmaterialien umzugehen“, hat sich Daniel Mühe gegeben, den geforderten Leistungen gerecht zu werden. Zwar ist es ihm vielleicht nicht immer ganz geglückt. Aber allein die Leistungsbereitschaft führt zu einer positiven Bewertung.
Weniger gut hingegen ist, wenn der Lehrer attestiert, dass „Paula bei Interesse fleißig mitarbeitet“. Dass Paula fleißig mitarbeitet, ist zwar schön. Doch wenn der Lehrer die fleißige Mitarbeit von den Interessen abhängig macht, schwankt Paulas Lernbereitschaft. Sie engagiert sich dann, wenn ihr das Thema zusagt. Findet sie einen Lerninhalt nicht besonders interessant, ist auch ihre Mitarbeit nur mäßig.
Im Grundschulzeugnis bewertet der Lehrer neben den Leistungen in den Schulfächern auch das Sozialverhalten des Kindes. Hier sollten die Eltern ebenfalls genau hinschauen, ob der Lehrer Schwierigkeiten ausgemacht hat.
Schließlich kann es sein, dass ein Schüler zwar mit dem Schulstoff gut zurechtkommt, sich im Umgang mit Mitschülern oder Lehrkräften aber schwerer tut.
Sind die Eltern unsicher, wie sie die Formulierungen im Grundschulzeugnis verstehen sollen, sollten sich einen Termin mit dem Lehrer vereinbaren. Im persönlichen Gespräch kann der Lehrer seine Einschätzungen näher erläutern.
Weil er das Kind täglich im Unterricht erlebt, kann er sicher auch Ratschläge geben, wo die Eltern ansetzen können, um ihr Kind zu unterstützen und eventuelle Lücken zu schließen.
Der entscheidende Unterschied zwischen dem Grundschul- und einem Arbeitszeugnis
Das Grundschulzeugnis ähnelt in vielerlei Hinsicht einem Arbeitszeugnis. Beide nutzen eine vergleichbare Sprache und greifen auf gewisse Floskeln und Codes zurück, um die erbrachten Leistungen zu bewerten. Außerdem müssen beide Zeugnisse auf Tatsachen beruhen und der Wahrheit entsprechen.
Aber es gibt einen großen und sehr wichtigen Unterschied. So muss ein Arbeitszeugnis einen positiven Tenor haben. Es sollte nichts enthalten, was dem Arbeitnehmer bei seinem weiteren beruflichen Werdegang im Weg stehen und seine Zukunft auf dem Arbeitsmarkt deutlich erschweren könnte.
Das Grundschulzeugnis hingegen soll die Leistungen und das Verhalten des Schülers ehrlich beurteilen. Es soll die Eltern darüber informieren, wo ihr Kind steht, was gut läuft und wo Unterstützung notwendig ist. Damit die Eltern bei Bedarf handeln können, darf das Grundschulzeugnis deshalb Bedenken oder Kritik offen äußern.
Dabei geht es natürlich nicht darum, dem Kind zu schaden oder überkritische Maßstäbe anzulegen. Das Ziel ist vielmehr, den Leistungsstand des Kindes realistisch einzuordnen.
Ab wann stehen Noten im Grundschulzeugnis?
Zum Ende der 2. Klasse stehen im Grundschulzeugnis die ersten Schulnoten. Neben den Schulfächern bewertet der Lehrer auch das Sozial-, das Arbeits- und das Lernverhalten. Erreicht der Schüler in einem Fach die Note 4 oder schlechter, muss der Lehrer die Lernfortschritte in diesem Fach näher erklären und aufzeigen, wie das Kind gefördert werden kann.
Im 3. Schuljahr beginnt in den meisten Bundesländern die sogenannte Übertrittsphase. Ab jetzt sehen die Lehrer noch genauer hin, wie sich die schulischen Leistungen entwickeln. Meist gegen Mai erhalten die Schüler der 4. Klasse eine Art Zwischenzeugnis.
Es enthält Noten für die einzelnen Schulfächer, die Durchschnittsnote aus den Hauptfächern, eine Bewertung des Verhaltens und eine zusammenfassende Beurteilung mit einer Empfehlung für den Besuch der weiterführenden Schule.
Für jede Klassenstufe gibt es Lehrpläne, die die Lernziele benennen. Auf dieser Basis bewerten die Lehrer, ob und wie gut das Kind die Anforderungen erfüllt hat. Sowohl die Lernziele als auch die Lernmethoden, die angewendet werden, erklärt der Lehrer meist auf dem ersten Elternabend eines Schuljahres.
Die Eltern können und sollten nachfragen, wenn ihnen etwas unklar ist. Sie können den Lehrer auch bitten, ihnen eine Liste mit den Lernzielen auszuhändigen. Denn je besser sie über die Lerninhalte und geforderten Ziele Bescheid wissen, desto besser können sie auch die Formulierungen im Grundschulzeugnis einordnen.
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Thema: Formulierungen im Grundschulzeugnis richtig einordnen, 2. Teil
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